Streetphotography: Meine Entwicklung

Meine Entwicklung in der Streetphotografie

Seit ich mich intensiv mit der Streetphotografie beschäftige, habe ich viele spannende Erfahrungen gemacht, Herausforderungen angenommen und meine Fähigkeiten weiterentwickelt.

Ein Modell, das meine Reise gut beschreibt, ist der sogenannte „Dunning-Kruger-Effekt“. Er zeigt, wie anfängliche Euphorie und eine oft überschätzte Selbsteinschätzung beim Lernen und hier bezogen auf die Streetfotografie von der Erkenntnis abgelöst werden, wie viel es tatsächlich zu lernen gibt.

Diese Entwicklung spiegelt sich in meinem Weg wieder, von den ersten Erfolgen hin zur bewussten Arbeit an meinen Fähigkeiten und einer realistischeren Einschätzung meines Könnens. Er beschreibt den typischen Verlauf von Kompetenzentwicklung in einem neuen Bereich: ein schneller Anfangserfolg, gefolgt von einer Phase der Ernüchterung und dann der kontinuierlichen, soliden Weiterentwicklung.

Mein Weg durch die Kompetenzkurve 

Als ich vor etwas mehr als einem Jahr intensiv mit der Streetphotografie begann, war ich zunächst euphorisch. Die Kamera in der Hand, die Straßen als Leinwand – alles schien aufregend und voller Potenzial. Nach und nach wurde mir jedoch bewusst, wie viel es zu lernen gibt und wie schwierig es sein kann, wirklich gute Streetfotografien zu erstellen. Heute fühle ich über den ersten Höhenflug hinaus: Ich bin in einer Phase angekommen, in der ich systematisch an meinen Fähigkeiten arbeite und meine fotografische Handschrift weiterentwickle.

Eine erste Bestandsaufnahme

Von Anfang 2024 bis heute habe ich unzählige Fotos gemacht, und dabei ist mir klar geworden, dass die Farbfotografie aktuell einfacher für mich ist als Schwarzweißfotos. Besonders erinnere ich mich dabei an eine Szene in Malaga, wo vor einem wunderbar gemalten Baustellenwand im Stile von Picasso eine Mutter mit Ihrer Tochter farblich abgestimmt entlanglaufen. Diese Momente zeigen mir, wie Farben die Bildwirkung verstärken können und zur erzählerischen Kraft eines Fotos beitragen. Etwa 80 % meiner aktuellen Fotos entstehen in Farbe, denn für mich können Farben eine besondere Dynamik und Lebendigkeit in die Bilder bringen. Zudem integriere ich (fast) immer Menschen in meine Aufnahmen, denn sie verleihen den Bildern Leben und erzählen Geschichten.

Folgende Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen – soweit ein erstes Fazit:

  1. Bildkomposition und Hintergrund: Spontane Straßenszenen sind oft visuell unruhig. Der Hintergrund kann ablenken oder unwichtige Elemente können die Bildwirkung stören. Ich arbeite gezielt daran, diese Elemente zu kontrollieren und die Komposition klarer und wirkungsvoller zu gestalten.
  2. Selbstbewusst und gleichzeitig unauffällig agieren: Als Streetfotograf bewege ich mich in einem Spannungsfeld. Einerseits möchte ich mutig genug sein, die Kamera in entscheidenden Momenten zu nutzen und mich und mein Hobby selbstbewusst vertreten – es ist alles ok, was ich mache. Andererseits strebe ich danach, möglichst unauffällig zu bleiben, um spontane und authentische Szenen mit Menschen einzufangen.
  3. Sehen lernen: Meine Wahrnehmung zu trainieren ist essenziell. Ich versuche, Strukturen, Muster und Bewegungen zu erkennen und zu verstehen, wo sich Szenen entwickeln, die mich ansprechen und meine Aufmerksamkeit fesseln.

Was ich schon gelernt habe: Streetfotografie beginnt mit Gehen.

Ich erkunde die Orte, an denen ich bin, und mache ausgedehnte Spaziergänge ohne festen Plan. Während ich gehe und beobachte, entstehen Ideen für Bilder und Szenen. Noch wichtiger: Das reale Leben übernimmt die Regie. Menschen begegnen mir, sei es durch Interaktionen allein oder miteinander. Sie tauschen Gefühle und Berührungen aus, bewegen sich im öffentlichen Raum und arbeiten, lesen, spielen, essen oder trinken dabei, wodurch Bildinhalte und Kompositionen entstehen, die manchmal einen unbemerkten Dialog schaffen.

Farben oder Formen können sich doppeln, ergänzen oder widersprechen. Es entstehen Ebenen aus Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund. Das Licht spielt dabei eine entscheidende Rolle – ob gleichförmig, unterschiedlich, von vorne, von der Seite oder von hinten kommend. Und dann ist da noch der Zufall: Das interessanteste Motiv kommt oft plötzlich von der Seite oder von hinten. Für das Auslösen bleibt meist nur eine Sekunde Zeit oder weniger.

Ein Beispiel ist das Foto von einer jungen Frau mit rotem Handy, die an einem Schaufenster vorbeigeht und die dort ausgestellten Schaufensterpuppen sehen so aus, als ob Sie der Frau interessiert hinterherschauen.

Ein zweites Beispiel ist der vorbeifahrende gelbe Motorroller mit Fahrer, der an einer Hauswand vorbeirauscht. Dieses Bild habe ich aus einem Fenster in einer Galerie in Avignon aufgenommen – mit einer Vorlaufzeit von vielleicht einer halben Sekunde. Solche Momente entstehen nur durch das ziellose Erkunden und das bewusste Wahrnehmen meiner Umgebung.

Ein Methode – die ich oft anwende – ist das sogenannte „Fotografieren aus der Hüfte“. Diese Technik erlaubt es mir, Fotos aus einer Perspektive aufzunehmen, die die Szene natürlich und unverfälscht wirken lässt, ohne dabei die Aufmerksamkeit der fotografierten Menschen auf mich zu ziehen.

Mein Blick nach vorn

Ich sehe meinen Weg in der Streetphotografie als fortlaufenden Lernprozess. Es gibt noch so viel zu verstehen und zu entdecken, und ich freue mich darauf, weiter an meinen Fähigkeiten zu feilen. Die Straße bleibt für mich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration, und ich bin gespannt, wohin mich diese Reise noch führen wird. In Zukunft möchte ich mich intensiver mit Themen wie minimalistische Kompositionen, Schwarzweiß sowie dem Storytelling in der Streetfotografie auseinandersetzen.

Und was zu verstärken ist es Kontakte und Austausch zu anderen „Verrückten“ in diesem Genre aufzubauen und zu pflegen. „Verrücken“ ist hier wörtlich zu nehmen – Menschen, die gerne Fotografieren und gleichzeitig nicht an ihrem Ort, an ihrem Stuhl oder an ihren (Vor-)Urteilen kleben.